Am 01.04.2021 tritt das neue Adoptionsvermittlungsgesetz in Kraft. Endlich! Nach mehr als 40 Jahren wurden die Rechte der Kinder darin gestärkt. Es ist darin verankert, dass mehr Transparenz eine größere Selbstverständlichkeit ist. VOR einer Adoption sollen annehmende Eltern beraten werden, wie der Kontakt mit oder der Informationsaustausch zu den leiblichen Eltern gestaltet werden kann. Diese Gespräche sollen regelmäßig geführt werden. Um sicherzustellen, dass Kindern nicht mehr so einfach ihre biologischen Wurzeln gekappt werden.
In 40 Jahren ist viel passiert
Früher wurden Eltern die passenden Kinder vermittelt. Heute werden Kindern die passenden Eltern vermittelt. In meiner täglichen Praxis habe ich Adoptionsvermittlungsakten gelesen, die mir gerade zu Gänsehaut bereitet haben. Es wurde darin die Absicht deutlich, den annehmen den Eltern zu ermöglichen, es möglichst geheim zu halten, dass ihr Kind adoptiert ist. Zum Beispiel gab es da den Wortlaut “man sieht es dem Kind kaum an, dass der leibliche Vater Italiener ist“.
In dem neuen Adoptionsvermittlungsgesetz ist angelegt, dass Adoptionen möglichst offen durchgeführt werden. Dem Kind soll der Zugang zu den biologischen Wurzeln erhalten bleiben. Wenn eine offene Adoption nicht möglich ist, soll eine intensive Beratung der annehmenden Eltern erfolgen. Der Gesetzgeber achtet von nun an mit darauf, dass Kindern ihre biologischen Wurzeln erhalten bleiben.
Aus Sicht der Herkunftsberatung ist dieses Gesetz ein großer und sehr wichtiger Schritt. Tausende Adoptierte haben erleben müssen, irgendwann und oftmals auch von Dritten anstatt von ihren Eltern, zu erfahren, dass sie adoptiert sind. Was dies mit einem Menschen macht, ist kaum zu beschreiben.
Mir ist bewusst, dass keiner der annehmenden Eltern böse Absichten hatte, das Kind nicht gleich über die Adoption aufzuklären. Sie wissen es einfach nicht besser, wurden dahingehend auch nicht beraten. Und vor lauter Glück über das Baby blenden sie die Frage, wie sich das Kind wohl mit seiner unbekannten genetischen Abstammung fühlt, erst einmal aus.
Ungewollt kinderlosen Paaren, die sich mit dem Gedanken tragen, zu adoptieren oder ein Pflegekind aufzunehmen muss Mut gemacht werden. Ein Kind aufwachsen zu sehen und es dabei zu unterstützen seinen Weg in dieser Welt zu finden ist etwas Wunderbares! Gleichzeitig müssen den Paaren aber auch die Sinne geschärft werden, für Themen die in vielen Beratungsgesprächen in Adoptionsvermittlungsstellen zu wenig vorgekommen sind.
Das Kindeswohl ist wichtiger als der Kinderwunsch
Erst in zweiter Linie geht es darum nach einer lange Zeitspanne ungewollter Kinderlosigkeit, nach einem aufwändigen Überprüfungsverfahren durch das Jugendamt endlich seinen Kinderwunsch erfüllt zu bekommen. In allererster Linie geht es darum, einem hilflosen und auf jeden Fall traumatisiertem Kind ein gutes Leben zu ermöglichen. Tatsächlich: Jedes Kind, das nicht bei seinen leiblichen Eltern aufwächst, hat ein Trauma erlebt. Auch wenn es direkt aus dem Krankenhaus zur annehmenden Familie kommt. Dies ist einigen Adoptionsbewerbern einfach nicht oder zu wenig bewusst.
Und selbst viele Adoptierte sind sich teilweise nicht darüber im Klaren, welche Unglaublichkeit ihnen eigentlich zugemutet wurde, wenn sie über die Tatsache der Adoption erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Geburt aufgeklärt wurden.
Gerade Adoptivkinder aus den Nachkriegszeit bis in die 80er Jahre tragen eine große Last. Sie mussten einerseits der Rolle des Wunschkindes gerecht werden. Gleichzeitig mussten sie aushalten, ihren Eltern gar nicht ähnlich zu sein. Und – auch möglichst nicht danach zu fragen, WEM man denn ähnlich sieht.
Eine Adoption ist gelungen, wenn die Bindung gelungen ist
Ich habe mit vielen Adoptierten gesprochen, bei denen die Adoption eigentlich ganz ok verlief aber auf der Gefühlsebene doch nicht so gut gelungen ist. Nicht gelungen dabei ist häufig der Aufbau einer sicheren Eltern-Kind-Bindung. Zu wenig bis gar nicht wurde von den annehmenden Eltern die eigene Kinderlosigkeit betrauert. Das Familiäre Umfeld lässt das Kind spüren „Du gehörst nicht dazu“. Und hinzu kommt noch eine oftmals abschätzige Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie.
Diese negativen Auswirkungen der alten Adoptionsvermittlungspraxis gehören mit dem neuen Adoptionsgesetz hoffentlich bald der Vergangenheit an.
Bildnachweis: Refe_55dca4cde38ee_unsplash_5243e9ef164a5_1