Frage Nr. 12 im Fragebogen der Herkunftsberatung: „Es ist möglich, dass die gesuchte Person sich für Ihre heutigen Lebensumstände interessiert. Was dürfen wir ausrichten?“
Antwort: „- – „
Frage Nr. 13: „Die gesuchte Person wird sich eventuell auch nach Ihrer Motivation bzw. dem Anlass Ihrer Suche erkundigen. Was dürfen wir ausrichten?“
Antwort: „Nachlass des verstorbenen Vaters“
Herrn K.s Begeisterung, seine Halbschwestern zu suchen, hielt sich sichtlich in Grenzen. Auch am Telefon wirkte er freundlich, aber auch stets etwas schlecht gelaunt. Kein Wunder!
Eine Suche wider Willen …
Nicht immer ist eine tief empfundene Sehnsucht, Lücken in der Biographie zu füllen, der Motor für eine Herkunftssuche. Herrn K. zum Beispiel hatte es mit Anfang 60 kalt erwischt: Er hatte sich viele Jahre um seine Eltern gekümmert. Doch nachdem der Vater im hohen Alter verstorben war, stellte sich heraus, dass Herr K. das Erbe nicht wie erwartet antreten konnte: Sein Vater hatte in Frankreich zwei weitere Kinder, einige Jahre älter als Herr K., von deren Existenz niemand in der Familie je gewusst oder gesprochen hatte. Nun musste Herr K. also Geld ausgeben, um seine unbekannten Halbschwestern ausfindig zu machen und mit ihnen sein Erbe zu teilen. Verständlich, dass er das als Zumutung empfand.
Auch die Erkenntnis, dass ein längerer, nicht ganz unbedeutender Lebensabschnitt seines Vaters vollständig im Dunkeln gelegen hatte, war eine Kränkung. Denn die zwei Kinder stammten von ein und derselben Frau, mit der er offenbar mehrere Jahre zusammengelebt hatte. In Frankreich, einem Land, zu dem Herrn K.s Familie nie einen Bezug gehabt hatte.
Nachdem die Nachforschungen eines Anwalts ein paar Daten aus den späten 1940er Jahren erbracht hatten, ging der Suchauftrag an die Herkunftsberatung. In Frankreich wird die Personensuche dadurch erschwert, dass es kein Meldewesen wie in Deutschland gibt. Doch ich hatte Glück und kam mit einer Standesbeamtin in Kontakt, die mir nicht die erbetene Urkunde aus den 1960er Jahren lieferte, sondern direkt die Initiative und den Telefonhörer ergriff: Denn sie wusste, dass eine der Halbschwestern immer noch im gleichen Ort lebte und eine Tochter hatte, die sogar Deutsch sprach.
(Über Engel und andere hilfreiche Geister, die uns bei der Herkunftssuche manchmal wohlwollend begleiten, schreibe ich eines Tages sicher auch noch in diesem Blog.)
… mit glücklichem Ausgang
Ruckzuck kam der Kontakt zwischen der Halbschwester und Herrn K. zustande – und ich selbst konnte das gar nicht live miterleben, da ich gerade auf Urlaubsreise war. Weil es mich aber interessierte, wie die Geschichte sich weiterentwickelt hatte, rief ich ein paar Wochen später Herrn K. an. „Ach, Sie sind es, Frau Vogel!“ Seltsam, die Stimme erkannte ich kaum wieder, war das wirklich Herr K.? Er klang beschwingt. Herr K. erzählte, was für freundliche Telefongespräche er mit seiner Nichte geführt habe. Die französische Familie hätte sich unheimlich gefreut, endlich etwas über den Verbleib des Vaters zu erfahren, der nach der Scheidung nach Deutschland zurückgekehrt war und nie wieder ein Lebenszeichen geschickt hatte. Auch Herrn K.s zweite Halbschwester lebte noch. „Und jetzt haben wir uns gerade zu einem Familientreffen an Weihnachten verabredet. Ich bin schon ganz aufgeregt, sie endlich alle persönlich kennenzulernen.“
Bis alle Nachlassformalitäten erledigt sind, wird es noch eine Weile dauern – aber das stört in Herrn K.s Familie momentan keinen mehr.
Haben Sie es auch schon einmal erlebt, dass Sie mit minimalen oder sogar ausgesprochen negativen Ewartungen an eine Sache herangegangen sind und dann eine wunderbare Überraschung erlebt haben? Wir freuen uns, wenn Sie einen Kommentar schreiben, um Ihre Geschichte mit uns zu teilen.
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